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Erneuerbare Energien gibt es nicht umsonst – Interview mit Marie-Luise Dött, umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (2)

Im zweiten Teil unseres Interviews mit Marie-Luise Dött, umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion geht es um bezahlbare Strompreise, günstige Stromkontingente, wettbewerbsrelevante Kostenfaktoren sowie Markt und Marktprämie.

EEG

Erneuerbare Energien zählen zu den Herausforderungen der Zukunft (Foto: t4raki / Clopdealer.com)

Frau Dött, fällt der Blick auf inzwischen ca. 200.000 Haushalte, die ihre Stromrechnungen nicht mehr zahlen können und ohne Strom dastehen, dann muss etwas geschehen. Was könnte dies sein?

Zunächst einmal sind wir in der Pflicht, die Steigerung der Strompreise durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien, aber auch den Netz- und Speicherausbau, kostenoptimiert umzusetzen. Wir müssen ungerechtfertigt hohe Kosten vermeiden. Das bedeutet nur so viel Vergütung, wie wirklich erforderlich ist, mehr Markt, weniger Subventionen, Innovationen stärken, privates Kapital aktivieren.

Ich weise aber auch darauf hin, dass der Strompreis nicht nur durch die Umlagen für Strom aus Erneuerbaren Energien oder das Netznutzungsentgelt beeinflusst wird. Der Strompreis beinhaltet auch die Umlage für die Kraft-Wärme-Kopplung, die Konzessionsabgabe sowie die Stromsteuer und Umsatzsteuer.

Ein zentraler Ansatz für die Reduzierung der Stromkosten ist für mich die Senkung des Stromverbrauchs. Im Bereich der Energieeffizienz haben Bürger aber auch Unternehmen noch Reserven. Professionelle Beratung kann in vielen Fällen die Stromkosten bei den Bürgern deutlich reduzieren. Hier ist Unterstützung sehr wirkungsvoll. Ich begrüße es in diesem Zusammenhang, dass der neue Bundesumweltminister Peter Altmaier bereits angekündigt hat, sich mit den Wohlfahrtsverbänden zu diesem Themen zu treffen. Wir werden ihn bei der Umsetzung von Vorschlägen mit ganzer Kraft unterstützen.

Könnten eingeschränkte Grundverbrauchskontingente pro Kopf zu einem niedrigen Preis das Problem lösen? Immerhin geht es um die Daseinsvorsorge der Gesellschaft, also um existentielle Belange der Bürger.

Das ist aus meiner Sicht kein zielführender Ansatz. Vor allem deshalb, weil die Wirkungen auf die sehr unterschiedlichen Haushaltssituationen sehr differenziert sind. Bereits im Jahr 2008 hatte das IFEU-Institut unterschiedliche Sozial- und Spartarifmodelle untersucht und war zu dem Schluss gekommen, dass gerade für einkommensschwache Haushalte bei den untersuchten Sozialtarifmodellen ein hoher Beratungsbedarf von unabhängiger Seite erforderlich sei. Es wurde im Ergebnis die berechtigte Frage gestellt, ob die benötigten Ressourcen nicht im Bereich der Energieeffizienzberatung sinnvoller genutzt werden können.
Auch das Forschungszentrum für Umweltpolitik Freie Universität Berlin hat im vergangenen Jahr festgestellt, dass die Tarifsteuerung nicht nur angesichts der dargelegten rechtlichen und technischen Probleme ihrer Umsetzung kritisch hinterfragt werden muss, sondern auch vor dem Hintergrund der Frage, ob es nicht anderer Hebel bedarf, um die Einsparpotenziale im Stromverbrauch privater Haushalte auszuschöpfen.

Aus meiner Sicht ist es für die jeweilige Haushaltssituation zielgenauer, Energiesparberatung zu unterstützen und zum Wechsel zu einem preisgünstigen Stromanbieter zu motivieren. Das wird immer noch zu selten gemacht. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Mai 2012 eine Gesetzesänderung in Kraft getreten ist, mit der die Abwicklungsfrist der Kündigung auf drei Wochen verkürzt wurde.

Bürger bzw. Steuerzahler müssen immer häufiger auch im energetischen Bereich für alle möglichen Geschäftsmodelle als Mitinvestor herhalten. Am Ende kommen aber die Profite nicht zurück. Besteht hier nicht Korrekturbedarf?

Hier muss man differenzieren. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien, an denen die Bürger als wirkliche Mitinvestoren beteiligt sind. Die Zahl von Bürgerwindparks oder Bürgersolaranlagen steigt stetig. Und hier profitieren die Beteiligten auch von den Gewinnen der Anlagen.
Richtig ist aber auch, dass die Umlage für den Erneuerbaren Strom auch von den Bürgern bezahlt wird, die aus unterschiedlichen Gründen keine solche unmittelbare Beteiligung haben und damit auch nicht an den Gewinnen beteiligt sind.

Unser zentrales Anliegen bei der Umsetzung der Energiewende muss es sein, neben der Versorgungssicherheit für bezahlbare Strompreise zu sorgen. Der beste Weg dahin ist, der schrittweise Übergang vom umlagefinanzierten Ausbau der Erneuerbaren Energien hin zu mehr Markt. Wir haben im EEG bereits die Marktprämie und das Grünstromprivileg enthalten. Beide Instrumente sorgen dafür, dass mehr Erneuerbarer Strom aus der EEG-Förderung in den Markt geht, das heißt an der Strombörse gehandelt wird. In der aktuellen Novelle des EEG haben wir hier weitere Akzente gesetzt. Mit dem neu eingeführten Marktintegrationsmodell werden Eigenverbrauch und Vermarktung des Stroms aus PV-Anlagen weiter gestärkt. Beides entlastet die EEG-Umlage und wirkt strompreissenkend. Auch die stetige Nachsteuerung der Vergütungssätze bei der Photovoltaik über den „atmenden Deckel“ wird die Kostensteigerungen für die Verbraucher begrenzen.
Natürlich werden wir auch Vorschläge zur Weiterentwicklung der Förderung der Erneuerbaren Energien, wie z.B. das von der Monopolkommission vorgeschlagene Quotenmodell, intensiv mit Fachleuten diskutieren.

Eine Energiewende zu beschließen ist um ein Vielfaches einfacher, als sie zu bezahlen. Augenblicklich scheint die Waagschale aus den Fugen zu geraten. Unternehmen werden entlastet, der private Endverbraucher finanziell stark in die Pflicht genommen. Ist das tatsächlich die Lösung des Problems?

Zunächst einmal zu den Zahlen: Die Differenzkosten für den Ausbau der Erneuerbaren Energien insgesamt betragen im Jahr 2012 nach Schätzungen der Übertragungsnetzbetreiber voraussichtlich ca. 14 Mrd. €. Für die Entlastung energieintensiver Unternehmen werden für das Jahr 2012 ca. 2,5 Mrd. € prognostiziert. Es ist richtig, dass die Verbraucher, die nicht von der Umlage befreit oder teilbefreit sind, die Kosten mit übernehmen. Das betrifft übrigens nicht nur die Bürger, sondern auch die Unternehmen, die nicht energieintensiv sind. Die Stromkosten für die Bürger erhöhen sich durch die Entlastung der Unternehmen um etwa 0,6 ct/kWh.

Ich halte es für richtig, dass wir diese Regelungen getroffen haben. Deutschland ist eine der führenden Wirtschaftsnationen der Welt. Diese Wirtschaftskraft ist Grundlage unseres Wohlstandes. Und kein Land ist so gut durch die Krise gekommen wie wir. Das auch deshalb, weil wir in Deutschland, im Unterschied zu vielen europäischen Partnern, noch die gesamte industrielle Wertschöpfungskette haben, von der energieintensiven Grundstoffwirtschaft, wie beispielsweise Stahl- und Chemie-, Aluminium- oder Zementherstellung, bis hin zu hochinnovativen Herstellern von Endprodukten. Der Erhalt dieser Wertschöpfungskette sichert Arbeitsplätze und die sozialen Sicherungssysteme. Ein Herausbrechen einzelner energieintensiver Branchen durch zu hohe Belastungen würde erhebliche Konsequenzen für nachfolgende Elemente der Wertschöpfungskette haben.

Viele Unternehmen stehen in einem harten internationalen Wettbewerb und Stromkosten sind bei den energieintensiven Unternehmen ein hoch wettbewerbsrelevanter Kostenfaktor. Wenn wir also eine Abwanderung von Produktion verhindern wollen, dann müssen wir für faire Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen sorgen. Genau das tun wir mit der Entlastung und zwar nur dort, wo es wirklich erforderlich ist und nur in dem Umfang, der Wettbewerbsfähigkeit sichert.

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    umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:

Das Interview führte Ursula Pidun

Verweise:
Fenster der Zukunft –
Interview mit Prof. Dr. Andreas Neyer, Technische Universität Dortmund

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