Der Verband Austria Solar widmet sich seit 1999 mit ganzer Kraft um die Stärkung des Solarmarktes in Österreich. Im Fokus stehen die Belange der inzwischen fast 260 Firmen, die sich dem Verband bereits angeschlossen haben. In der vergangenen Woche tagten die Mitglieder auf der Generalversammlung in Salzburg. Thema war auch der rückläufige Markt im Bereich thermische Solaranlagen. Wir haben nachgefragt. Im Gespräch mit Roger Hackstock.
Der diplomierte Elektrotechniker mit Schwerpunkt Umwelttechnik widmete sich nach dem Studium vier Jahre der Forschungsadministration im Wissenschaftsministerium. Es folgten zwei Jahre Mitarbeit am Institut für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie eine fünfjährige Tätigkeit als Assistent der Geschäftsführung in der Österreichischen Energieagentur. Seit 2002 ist Roger Hackstock Geschäftsführer von Austria Solar.
Herr Hackstock, die letzte Generalversammlung des Verbandes Austria Solar liegt gut eine Woche zurück. Welches Thema war besonders präsent?
Die Diskussionen haben sich natürlich vor allem um den Marktrückgang gedreht, das zweite Jahr in Folge gehen die Installationen von thermischen Solaranlagen in Österreich zurück. Im Sommer haben wir daher eine Verbandsklausur abgehalten, um mit neuen Strategien wieder Schwung in den Markt zu bringen. Die Klausurergebnisse standen daher auch im Zentrum der Generalversammlung.
Im Prinzip ist es erstaunlich, wenn ausgerechnet in Zeiten der energetischen Wende ein so innovatives Produkt wie thermische Solaranlagen einen Markteinbruch von bis zu 15 Prozent erfährt. Wie lässt sich der Rückgang erklären?
Die Situation ist tatsächlich paradox: Österreich verfehlt seine Klimaziele um Längen, gleichzeitig verlangsamt sich der Umstieg beim Heizen auf Solarenergie. Im heurigen Jahr ist der Rückgang vor allem auf die Streichung der Direktförderung im Bundesland Niederösterreich zurückzuführen. Dadurch ist der bedeutendste Solarmarkt aus dem Vorjahr zusammengebrochen, 2010 wurde noch jeder vierte Quadratmeter Kollektoren in Niederösterreich errichtet. Gleichzeitig hat Niederösterreich heuer einen Energiefahrplan 2030 veröffentlicht, mit weiteren Ausbauzielen bei Solarwärme. Wie das ohne Direktförderung gehen soll, ist ein Rätsel.
Die derzeit tendenziell leichte Bevorzugung von Photovoltaik und Wärmepumpen beruht vor allem auf finanziellen Aspekten oder gibt es weitere Gründe?
In Österreich wurde der Fördertopf für Photovoltaikanlagen bis 5 kWpeak von 2008 bis 2010 jedes Jahr verdoppelt. Dazu gab es einmal im Jahr eine breite Debatte ums Ökostromgesetz, wo Photovoltaik als Reizthema immer im Zentrum stand. Damit hat die Photovoltaik den großen Bruder Solarwärme in der öffentlichen Wahrnehmung etwas verdrängt. Das merkt man auch in den Verkaufszahlen.
Die Wärmepumpe wiederum wird von Energieversorgern stärker beworben, die eine Chance sehen mit Strom in den Heizungsmarkt besser reinzukommen. Auf diese Strategie setzt auch die Energy Roadmap 2050 der EU-Kommission, fatalerweise. Mit einem Wort: Solarwärme hat in den letzten Jahren starke Konkurrenz bekommen, damit müssen wir umgehen lernen.
Welche Strategien planen Branchen, die sich auf thermische Solaranlagen spezialisiert haben, um den Einbruch zu stoppen und möglichst ins Gegenteil umzukehren?
Die Verbandsklausur im Sommer hat deutlich gemacht, dass die Branche bisher auf Innovationen konzentriert war, die Solarwärmeanlagen für den Handwerker attraktiver machen. Da ging es um schnelle Montage, vormontierte Frischwasserstationen, vorisolierte Leitungen, freiprogrammierbare Regelungen und dergleichen.
In Zukunft müssen wir uns mehr auf Innovationen konzentrieren, die den Endkunden interessieren: den Solarertrag am Smartphone ansehen, den Solardeckungsgrad bei gleicher Anlagengröße erhöhen, den Brennstoffeinsatz der Zusatzheizung stark reduzieren. Auch mehr Markenbekanntheit von Solaranbietern gehört dazu. Wenn diese Innovationen auch noch zu Kostensenkungen führen, sind wir bald wieder auf der Siegerstraße, da bin ich überzeugt.
Daneben gab es allerdings auch viel Positives berichten. Wie unserem Beitrag zum Verband Austria Solar bereits erwähnt, stammen beachtliche 75 Prozent aller Solaranlagen von Austria Solar Gütesiegelbetrieben. Welche speziellen Kriterien müssen thermische Solaranlagen auszeichnen, die ein solches Gütesiegel erhalten?
Das Gütesiegel bekommen nur Anbieter, die mindestens 10 Jahre Garantie auf Kollektoren geben und 5 Jahre auf Speicher. Daneben sind noch weitere Kriterien zu erfüllen wie Prüfzeugnisse, umweltverträgliche Materialien, verständliche Bedienungsanleitungen, Abnahmeprotokolle und Wartungsverträge. Mit der großen Verbreitung des Gütesiegels in Österreich haben wir ein flächendeckendes Qualitätsniveau am Markt bei thermischen Solaranlagen erreicht, welches kein anderes Land in der Form vorweisen kann.
Zur Erfolgsgeschichte zählt wohl auch die besondere Förderungskultur. Eine beachtliche Summe von zwölf Millionen Euro wurde seit 2010 investiert. Welche Projekte haben besonders profitiert?
Die zwölf Millionen Euro betreffen das Solare Großanlagen Programm des Klima- und Energiefonds, wo in zwei Jahren 90 Projekte gefördert wurden. 56 davon werden vermessen und ausgewertet, um von den Betriebserfahrungen zu lernen.
Wir sind ehrlich gesagt sehr stolz auf dieses Programm, damit kann Österreich seinen technologischen Vorsprung bei Solaren Großanlagen für Prozesswärme, Kühlung, Fernwärmeeinspeisung und hohe Solardeckungsgrade in Gebäuden weiter ausbauen. Fast die Hälfte der Projekte dienen der Solaren Fernwärmeeinspeisung, dieser Bereich hat vom Programm am meisten profitiert.
Das Ziel der Bemühungen ist die Umsetzung der Solarwärme Roadmap 2020. Was müssen wir uns darunter vorstellen?
Ja, die Roadmap ist unser Leitstern, sie hat fast eine Verzehnfachung des heimischen Solarwärmemarktes bis 2020 zum Ziel. Derzeit deckt die Sonne in Österreich 1,5 Prozent des Wärmebedarfes bis 250 Grad, 2020 sollen es mindestens 10 Prozent sein. Ein sehr ambitioniertes Ziel, für das es Gesetzesänderungen beim Baurecht und bei Förderkriterien braucht, sowie mehr Forschung und Entwicklung. Und Produktinnovationen, wie bereits erwähnt. Unser Ziel ist die 100 Prozent Sonnenheizung – in Vorzeigegebäuden ist das bereits verwirklicht. Wir arbeiten nach dem Motto: Wir warten nicht auf die Zukunft, wir arbeiten daran.
Zu den mittelfristigen Zielen des Verbandes zählt laut eigenen Aussagen auch der weitere Antrieb der Energiewende beim Heizen in Kooperation mit dem Verband Erneuerbare Energie Österreich. Welche Maßnahmen sind dahingehend geplant und in welchem Zeitraum soll dies möglichst gelingen?
Die Energieausgaben der Haushalte fürs Heizen steigen in Österreich um 300 Mio Euro pro Jahr, die Ausgaben für Heizkostenzuschuss aus den Sozialbudgets haben sich die letzten drei Jahre auf 30 Mio Euro verdoppelt. So kann das nicht weitergehen. Der Verband Erneuerbare Energie Österreich hat daher zusammen mit uns, proPellets Austria und dem Österreichischen Biomasseverband die Initiative „Energiewende beim Heizen“ gestartet, um die Politik auf die Problematik aufmerksam zu machen.
Kurzfristig geht es dabei um Förderimpulse, langfristig müssen die großen Weichen gestellt werden: Mietrecht, Baurecht, Steuerrecht. 2020 soll damit jede zweite Kilowattstunde Raumwärme aus Erneuerbarer Energie stammen, derzeit ist es jede Dritte.
Welche Zielsetzungen stehen außerdem im Mittelpunkt und was wünschen Sie sich für den Verband für die Zukunft?
Wenn wir die Energiewende nicht schaffen, setzen wir unseren Wohlstand aufs Spiel. Wir werden uns die weiter steigenden Preise für Öl und Gas bald nicht mehr leisten können. Weitermachen wie bisher ist also keine Option. Sonne haben wir dagegen genug, sie ist gratis und ganzjährig verfügbar. Wir müssen sie nur effizienter einfangen und länger speichern. Daran müssen wir stärker arbeiten, der Verband wird auch in den nächsten Jahren als Initiator und Motor dafür tätig sein.
Daten & Fakten auf einen Blick
Lesen Sie hierzu auch:
Verband Austria Solar und Solar-Thermiebranche
Verweise:
BMVBS – Förderprogramm für Energie-Plus-Häuser
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