Wer im Sommer dämmt, kann im Winter bereits Vorteile einer solchen energetischen Maßnahme genießen. Wärmedämmverbundsysteme mit Polystrol werden allerdings kritisch betrachtet. Fangen sie Feuer, können sie zur Katastrophe für die Bewohner werden.
Viele Neubauten, aber auch sanierte Altbauten verfügen über eine Dämmung aus montierten Wärmeverbundsystemen. Bestimmte Wärmedämmverbundsysteme stehen aller allerdings inzwischen stark in der Kritik. Sie können zu einer extremen Gefahr werden, wenn sie in Brand geraten.
Dämmung mit Polystrol im Fokus
„Wenn Polystyrol brennt, dann lodert es nicht, sondern es schwelt großflächig, schmilzt und tropft in großer Breite von der Fassade“, erläutert der Bausachverständige vom Verband Prtivater Bauherren (VPB) Dipl.-Ing. Reimund Stewen. „Diese undurchdringliche Barriere aus flüssigem heißem Material behindert die Feuerwehr beim Löschen und die Bewohner beim Verlassen des brennenden Hauses. Außerdem, und das ist mindestens ebenso problematisch, setzt das brennende Material chemische Verbindungen frei, die Fachleute als extrem giftig einstufen und die Retter, Hausbewohner und Nachbarschaft bedrohen“, erläutert der Experte.
Sicherheitsmaßnahmen bei Polystrol Dämmung
Viele besorgte Häuslebauer, die energetische Maßnahmen vornehmen, stellen sich die Frage, ob sich hinsichtlich einer Polystrol-Wärmedämmung etwas zur Sicherheit im Brandfall tun lässt. „Der private Bauherr kann relativ wenig tun, zumal, wenn er beim Schlüsselfertiganbieter kauft. Das ist heute der Normalfall, denn die meisten Kommunen vergeben Baugrund nicht mehr an Privatleute, sondern nur noch an Entwickler“, führt Experte Stewen aus. „Der Bauträger bietet in der Regel die preiswerteste Lösung an, und die besteht nun einmal aus 17,5 Zentimeter dicken Kalksandsteinmauerwerk mit einer zwölf bis 20 Zentimeter dicke Vorsatzschale aus Polysytrol. Andere Systeme sind nicht vorgesehen. Wenn der Bauherr eine Alternative sucht, muss er individuell planen, und das ist die Ausnahme.“
Sonderbauteile reduzieren Gefahr bei Dämmung
Dennoch lässt sich nach Einschätzung des VPB die Brandgefahr reduzieren. Dazu müssen allerdings spezielle Sonderbauteile installiert werden. Diese werden von Herstellern durchaus auch angeboten. Hierbei handelt es sich um Streifen aus Mineralwolle, die etwa zehn Zentimeter breit sind. Sie werden oberhalb von Türen und Fenstern direkt in die Dämmung verbracht. „Dadurch soll das Eindringen des Feuers in die Polystyrol-Schale verhindert werden“, erklärt Experte Stewen. Dennoch gibt er zu bedenken, dass diese Bauteile in Einfamilienhäusern in Hinblick auf Aspekte zur Brandschutztechnik nicht vorgeschrieben sind. Aus diesem Grund ist auch kein Anbieter schlüsselfertiger Häuser gehalten, solche Vorsorgemaßnahmen zu treffen und sie einzubauen. „Käufer, die sie dennoch haben wollen, bezahlen dafür zusätzlich etwa 5.000 Euro pro Haus.“
Alternativen zu Polystrol Dämmung prüfen
Bauherren sollten sich daher vor dem Kauf oder Bau des Hauses gut überlegen, für welche Wärmedämmung sie sich entscheiden. Schließlich gibt es Alternativen zum Polystyrol, die hinsichtlich der Herstellung, Dauerhaftigkeit und späterer Entsorgung deutlich besser abschneiden. Hierzu zählen auch weniger schnell entzündliche Dämmungen, bei denen auch deutlich weniger giftigen Ausdünstungen zu klagen ist. Als weiter Alternative bietet sich ein Haus mit dicken Außenwänden an. „Allerdings sind auch in diesem Fall die heute üblichen Mauersteine nicht erste Wahl, denn sie sind im Innern oft mit brennbaren Dämm-Materialien gefüllt. Puristen entscheiden sich vielleicht für einen Massivbau aus Lehm- oder aus Mauersteinen, die mit Perlit, einem vulkanischen Gestein, gefüllt sind. Doch dies sind Ausnahmen, die sich die meisten Bauherren nicht leisten können und wollen, und die Schlüsselfertiganbieter deshalb auch grundsätzlich nicht im Programm haben.“
Mehr Vorsorge durch zweiten Fluchtweg
Bauherren sollten auf jeden Fall darauf achten, dass das schlüsselfertige Objekt über einen zweiten Fluchtweg verfügt. Die meisten Landesbauordnungen schreiben dies inzwischen vor, dennoch werden solche Vorgaben durchaus auch ignoriert. „Wenn es brennt, sind die Treppenhäuser schnell verqualmt. Die giftigen Gase schneiden den Hausbewohnern dann diesen Weg ins Freie ab. Deshalb muss ein zweiter Fluchtweg vorgesehen werden“, erläutert Fachmann Stewen. Das kann ein Fenster oder Balkon zur Straße sein. Auch im Dachgeschoss muss ein ausreichend großes Fenster zur Straße hin gehen, damit Bewohner von der Feuerwehr durch dieses Fenster geborgen werden können. Aus dem Keller sollten sich die Bewohner im Brandfall über eine Außentreppe oder einen ausreichend großen Kellerlichtschacht retten können.
Wenig Sachverstand über Dämmung
„Wir Bauherrenberater sind immer wieder überrascht, wie wenig viele Bauherren wissen. Sie machen sich Gedanken über die Badausstattung im neuen Haus, über Tapeten, Böden und Türdrücker. Aber die wenigsten informieren sich über Wandaufbauten, gesundheitsbedenkliche Baustoffe oder lebenswichtige Fluchtwege. Auch Brandmelder, in über der Hälfte aller Bundesländer inzwischen gesetzlich vorgeschrieben, fehlen nach wie vor in vielen Neubauten. Angesicht der immensen Summen, die Bauherren in ihre Immobilie investieren, sollten sie sich im Vorfeld gründlich beraten lassen. Beim Kauf eines im Vergleich zur Immobilie ungleich preiswerteren Autos ist das selbstverständlich“, gibt Bausachverständiger Stewen zu bedenken.
Gefährliche Dämmungen:
http://youtu.be/VdUHjuKu6XY
Verweise:
Energiesparen mit moderner Fassadendämmung
Drastische Bußgelder bei Verstoß gegen EnEV
Energiekonzepte – Dämmwahn allein reicht nicht</a>
Verschärfung EnEV erfordert mehr Förderung
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