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Kosten der Energiewende – Interview mit Alexander Knebel, Agentur für Erneuerbare Energien (AEE)

Die Kosten der Energiewende bereiten Verbrauchern zunehmend Sorgen. Große Unsicherheit herrscht in Hinblick auf die Entwicklung der Preise für Heizöl, Gas und Strom. Sind die Ängste der Verbraucher berechtigt, kommt es zu einer unüberschaubaren Kostenspirale und wohin führt der Weg? Wir haben nachgefragt.

Energiewende

Umfassende Maßnahmen zur Energiewende verändern das Land (Foto: Goodluz / Clipdealer.de)

Maßnahmen zur Energiewende werden deutlich teurer als zuvor angenommen. Haben Politiker und Experten den Aufwand im Vorfeld unterschätzt oder sollten Verbraucher mit den tatsächlichen Zahlen nicht verschreckt werden? Wir haben nachgefragt. Im Gespräch mit Alexander Knebel, Sprecher der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) in Berlin.

Herr Knebel, die Energiewende ist glücklicherweise in vollem Gang. Allerdings wird sie ziemlich teuer und damit deutlich teurer als zuvor angenommen?

Alexander-Knebel-Energiewende

Alexander Knebel, Sprecher der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) in Berlin (Foto: AEE)

Für einen langfristig wettbewerbsfähigen Standort Deutschland ist die Energiewende unverzichtbar. Die fossilen Ressourcen sind endlich und ihre Nutzung hat sich schon in den vergangenen Jahren massiv verteuert. Weitere Kostensteigerungen bei fossilen Energieträgern sind zu erwarten.

Erneuerbare Energien hingegen werden immer günstiger. Schauen Sie sich beispielsweise den Markt für Solarstrom an. Dort sinken die Einspeisevergütungen für die Stromproduzenten je nach Anlagengröße ab Oktober auf eine Spanne von 13 Cent bis rund 18 Cent pro Kilowattstunde, das sind nur noch bis zu 50 Prozent des Haushaltsstrompreises. Damit lohnt sich der Eigenverbrauch von Solarstrom zusehends.

Haben Politiker und ggf. auch Experten den tatsächlichen Aufwand anfangs unterschätzt?

Laut den Zielen der Bundesregierung soll der Anteil Erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch bis 2020 auf mindestens 35 Prozent steigen, der Anteil der Erneuerbaren am Endenergieverbrauch insgesamt soll bis dahin auf 18 Prozent klettern.

Wir sind auf gutem Wege, diese Ziele zu übertreffen, jedenfalls auf dem Strommarkt, wo im ersten Halbjahr 2012 die Erneuerbaren Energien einen Marktanteil von rund 25 Prozent erreichten. Der „Aufwand“, von dem Sie sprechen, wird insofern von Tausenden Unternehmen und Zigtausenden Stromproduzenten geschultert, die immer mehr Strom, Wärme und Kraftstoffe aus erneuerbaren Quellen auf den Markt bringen.

Gibt es aktualisierte Berechnungen dazu, wie hoch die Kosten zur Umstellung der Energieversorgung auf regenerative Quellen am Ende tatsächlich werden?

Kostenprognose Import fossiler Energieträger (Foto: (AEE)

Wenn es um den Strommarkt geht: Laut Berechnungen führender Forschungsinstitute, die die Langfristszenarien für den Ausbau Erneuerbarer Energien im Auftrag der Bundesregierung erstellt haben, wird der Scheitelpunkt der EEG-Förderung in wenigen Jahren erreicht sein. Danach fallen die Kosten stetig.

Wenn Sie in einen Kostenvergleich Erneuerbarer Energien und fossiler Energieträger einsteigen, so hängt vieles von den Annahmen zur Preisentwicklung bei fossilen Energieträgern ab. Und da muss man sagen: Die niedrigsten Energiepreisszenarien aus dem Jahr 2010 sind aus heutiger Sicht unrealistisch. Hinzu kommen die Umweltkosten fossiler Energien, die in den heute zu zahlenden Preisen fehlen.

Wenn wir den Gewinn für die Volkwirtschaft und damit auch für die privaten Verbraucher dagegen setzen – wie lukrativ ist die Energiewende tatsächlich?

Der Nutzen Erneuerbarer Energien überwiegt die Kosten bei weitem. Das gilt für die Volkswirtschaft ebenso wie für die Verbraucher. Laut Berechnungen des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) sparte Deutschland im vergangenen Jahr durch den Einsatz Erneuerbarer Energien Importkosten auf dem Energiemarkt von rund 11 Milliarden Euro. Hinzu kommt die Vermeidung externer Kosten durch die Nutzung Erneuerbarer Energien, also Umweltschäden, die bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas durch die frei werdenden Treibhausgase entstehen. Von diesen positiven Wirkungen abgesehen, schaffen die Erneuerbaren Energien auch enormen Nutzen in Regionen und Gemeinden. Die kommunale Wertschöpfung durch Erneuerbare Energien war vom Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in einer Prognose für 2011 auf 7,5 Milliarden Euro geschätzt worden.

Welche Faktoren spielen eine prioritäre Rolle, um einen ökonomischen Nutzen von erneuerbaren Energien korrekt einzuschätzen?

Energiewende-Gas

Prognose Importkosten Erdgas (Foto: AEE)

Nun, wenn Sie an den bekannten Bericht des britischen Ökonomen Nicholas Stern aus dem Jahr 2006 zum Klimawandel denken, so ist klar, dass neben wirtschaftlichen Komponenten wie schon entstandenen Arbeitsplätzen im Bereich Erneuerbare Energien die Umweltvorteile eine ganz entscheidende Rolle spielen.

Stern geht davon aus, dass die Kosten des Klimawandels etwa 5 Prozent des globalen jährlichen Bruttoinlandsprodukts entsprechen, wenn die Welt angesichts der Herausforderungen des Klimawandels untätig bliebe. Erneuerbare Energien können weltweit eine entscheidende Rolle spielen, um dem Klimawandel zu begegnen.

Wie sieht das Ziel in Hinblick auf den Ersatz herkömmlicher Energien durch erneuerbare Energien bis zum Jahr 2050 aus?

Bis zur Mitte des Jahrhunderts soll der Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromversorgung laut den Plänen der Bundesregierung mindestens auf 80 Prozent steigen. Der Anteil Erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch soll dann bei 60 Prozent liegen. Voraussichtlich schon lange vor diesem Langfristziel werden sich leistungsstarke Speicherlösungen für Erneuerbare Energien etabliert haben, die eine konstante Energieversorgung aus umweltfreundlichen Quellen rund um die Uhr ermöglichen.

Lässt sich für beispielsweise Stromverbraucher überhaupt noch eine Prognose hinsichtlich der Kostenentwicklung treffen oder sehen wir dahingehend völlig unkalkulierbaren Zeiten entgegen?

Anders als bei fossilen Energien sind die Kosten Erneuerbarer Energien kalkulierbar und transparent. So ist über die Einspeisesätze im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geregelt, wie hoch die Vergütung für die jeweiligen Anlagentypen ist. Unkalkulierbar sind hingegen die künftigen Preise für Öl, Gas und Kohle sowie die Folgekosten der Nutzung von Atomkraft und fossilen Energieträgern.

Mit sinkenden Preisen ist in der Zukunft eher nicht zu rechnen?

Energiewende

Kostenprognose Importpreise Öl (Foto: AEE)

Die Preise für Erneuerbare Energien sinken stetig. Das sehen Sie an den Produktpreisen beispielsweise für Solarmodule in den vergangenen Jahren. Darauf hat der Bundestag mit einer Absenkung der Einspeisevergütungen reagiert.

Gesetzlich festgelegt ist für die Erneuerbare-Energien-Technologien eine Degression. Das heißt: Für neu installierte Anlagen sinkt die Einspeisevergütung. Eine Biogasanlage, die im kommenden Jahr ans Stromnetz geht, erhält also weniger Einspeisevergütung als eine vergleichbare Anlage, die 2012 mit der Stromproduktion begann.

Spielt die Förderung neuer Technologien eine besonders starke Rolle bei der künftigen Preisgestaltung im Energiebereich?

Das EEG verfolgt unter anderem das Ziel, die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien zu fördern. Ein breiter Mix an Erneuerbare-Energien-Technologien kann künftig eine Vollversorgung mit Strom aus regenerativen Quellen sicherstellen.

Gehen Sie davon aus, dass sich die ambitionierten Ziele der Energiewende tatsächlich im vorgesehenen Zeitrahmen realisieren lassen?

In der Vergangenheit sind die Prognosen zum Ausbau Erneuerbarer Energien häufig übertroffen worden. Und warum sollte es nicht auch künftig so sein? Für die Verbraucher und für die Volkswirtschaft wäre das eine gute Nachricht.

 
Erneuerbare Energien im Fokus:

Verweise:

Wenn der Energieberater versagt
Photovoltaik – wenn Sonne Strom erzeugt
Photovoltaik weiterhin auf Erfolgskurs
Solarförderung drastisch gesenkt
Verband Austria Solar und Solar-Thermiebranche
Bei Altbauten wird Nachrüstung zur Pflicht
Solar- und Photovoltaikanlagen weiterhin günstig
Das „Erneuerbare Energien Gesetz“ (EeG)
Frankfurt ist Passiv-Hauptstadt Deutschlands
Solarkollektoren – Energie für das Eigenheim
Im Gespräch mit den „Solar Frauen Schweiz“

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